Geschichte der Herkomer Konkurrenz

Blick in den Rückspiegel zurück auf ein Jahrhundertereignis für den Automobilsport von Herrn Ulf von Malberg

Hubert von Herkomer Juni 1907 in seinem Panhard Levassor


 

Dass man heute diese zum Teil über 100 Jahre alten Automobile so in Aktion und nicht nur museal bestaunen kann, ist zum einen natürlich allen Teilnehmern zu verdanken. Initiiert und wiederbelebt hat die legendären Herkomer-Konkurrenzen 1997 jedoch der damalige Leiter des Stadtmuseums, Hartfrid Neunzert. Zum einen sollte an Hubert von Herkomer erinnert werden, zum anderen sah er darin eine großartige Möglichkeit, die Automobilgeschichte lebendig zu erhalten. Hierfür fragte er den Fernseh-Journalisten und Experten für Motorsport, Ulf von Malberg, ob er sich darum kümmern wolle. Und er tat es; beide (!) tun dies dankenswerterweise noch heute, denn wohl kaum jemand ist so vertraut und allwissend in diesem Thema wie die beiden Herren!

 

Im Zwei-Jahres-Rhythmus richtet die Stadt Landsberg am Lech die älteste Tourenwagen-Rallye der Welt aus, um es vielen zu ermöglichen, in und um Landsberg jene Urväter des Automobilbaus zu bewundern, die anlässlich der Herkomer-Konkurrenz ihr Stelldichein in der Lechstadt geben. Schon das Eintreffen der Teilnehmer mit ihren „Schnauferln“ am Parkplatz neben Herkomer’s Mutterturm in Landsberg, wird zelebriert und ist ein Erlebnis für sich, denn nicht allzu oft treffen sich die Besitzer von Fahrzeugen vor Baujahr 1930. Die Bräuche sind so streng, dass Ferraris, Jaguars und Porsches nicht zur Teilnahme angenommen werden, da sie zu jung sind.

 

 

Einer der Höhepunkte ist bei der heutigen Veranstaltung sicherlich der Zieleinlauf am Samstag auf dem Hauptplatz. Dieser wird zum Parc fermé und bietet so vielen Interes-sierten aus Nah und Fern die Möglichkeit, viel über die Oldtimer zu erfahren und diese aus der Nähe zu bestaunen.

 

Lebendig werdende Automobilgeschichte !

Wer war Hubert von Herkomer?

Hubert von Herkomer war einer jener „Malerfürsten“ um die Jahrhundertwende, zu denen unter anderem Künstler wie Lenbach, Keller, Piloty, Stuck und Kaulbach zählen. Sichtbar sind seine Hinterlassenschaften z. B. in den beiden Museen Landsbergs, im Historischen Rathaus und dem Mutterturm, schließlich in einem eigenen Museum seines Hauptwohnsitzes Bushey / England nördlich von London. Seine Bilder sind weltweit verbreitet, ein Queen Victoria-Portrait hängt sogar in Durban/Südafrika.

Nicht umsonst wurde die Fortsetzung des Hauptplatzes Landsbergs nach ihm benannt, sogar in München und Berlin tragen Plätze und Straßen seinen Namen. Etwas genauer muss man jedoch hinschauen, will man zwei Erinnerungen an den großen Künstler finden, die jedoch nur teilweise mit seinem Schaffen zu tun haben.

 

Am Mutterturm selbst ist eine Tafel eines der ältesten Automobilclubs Deutschlands angebracht, auf der zu lesen steht: Hubert von Herkomer, dem Wegbereiter d. Automobilsports in Deutschland zum Gedenken. Allgem. Schnauferl Club e.V. Landesgruppe Südbayern. Gleich nebenan, am Parkplatz des Mutterturms steht gar ein Denkmal des Deutschen Automobil Veteranen Clubs (DAVC). Eine weitere Gedenktafel befindet sich an Herkomers Geburtshaus in Waal. Dass Herkomer ein Universalgenie war, nicht nur malte, sondern auch modellierte, schnitzte, komponierte, schauspielerte und sogar ein Pionier des Filmes war, könnte bekannt sein, aber wieso „Wegbereiter des Automobilsports?“

Wie alles begann

Hubert von Herkomer lebte hauptsächlich in England. Schöne Bilder werden zwar oft bewundert aber selten gekauft, darum begann er, schlicht um Geld zu verdienen, Menschen zu portraitieren. Die Kundschaft wurde immer prominenter, die Bilder immer teurer und Herkomer, der 1907 schließlich nach dem deutschen auch in den britischen Personaladelsstand erhoben wurde und sich „Sir“ nennen durfte, immer wohlhabender.


Einer   seiner   Kunden  war  ein   Gentleman   namens  William  Humble  Ward,  2nd  Earl of  Dudley, Lord Lieutenant of Ireland (das ist ein anderer Ausdruck für Gouverneur, denn Irland war im Jahr 1903 noch komplett britisch), konservativer Abgeordneter und ehemaliges Mitglied der Regierung von Lord Salisbury, persönlicher Freund von König Edward VII. Der sollte Herkomer für den Automobilsport begeistern.


Ab dem Jahr 1900 waren die „Gordon-Bennett-Rennen“ die wichtigsten sportlichen Veranstaltungen mit Automobilen. Gesponsert wurden sie durch den amerikanischen Zeitungsverleger schottischer Herkunft, James Gordon Bennett, der in Paris die europäische Version des New York Herald (heute International Herald Tribune) herausgab.

Diese Gordon-Bennett -Rennen waren dem Modus nach Nationenpreise, jede teilnehmende Nation sollte drei Fahrzeuge möglichst heimischer Provenienz und auch wenn möglich, drei Fahrer der nämlichen Nationalität stellen. Das war gar nicht so einfach und 1900 waren nur sechs Wagen am Start der 562 km langen Strecke von Paris nach Lyon, drei kamen an: Fernand Charron vor Léonce Girardot beide auf Panhard & Levassor. Ein Franzose als Sieger, bedeutete, dass auch das nächstjährige Rennen in Frankreich stattfinden würde, so lautete das Reglement. Das ist insofern wichtig, als 1902 der Engländer Selvyn Francis Edge mit einem Napier die Gordon-Bennett-Wertung in Innsbruck nach 566 km im Rahmen des Langstreckenrennens Paris – Wien gewann. Jetzt hätte eigentlich England die Ehre gehabt, das Rennen von 1903 auszurichten.

Aber nichts da! Auf der Insel herrschte eine rigorose Geschwindigkeitsbeschränkung und die Behörden dachten gar nicht daran, wegen einer „ausländischen“ Veranstaltung eine Sondergenehmigung zu erteilen. Das ging einigen Patrioten denn doch zu weit. Sie entdeckten Irland als geeignetes Territorium, das Rennen abzuhalten. Das irische Parlament verfügte über eine beschränkte Souveränität und stimmte zu, nachdem man 20.000 Pfund Entwicklungshilfe versprach, sogar der zuständige Bischof von Kildare und Leighlin, the Most Rev. Patrick Foley erhob keinen Einwand, da man das Rennen an einem Samstag austragen wolle. Das auch in Irland geltende Speed Limit wurde für einen Tag aufgehoben.

Es wurde ein rauschendes Fest. Die Strecke lag nur etwa 40 km von der Hauptstadt Dublin entfernt, erstmals wurde auf einer Rundstrecke mit einem miteinander verbundenen kürzeren und längeren Kurs von insgesamt 527,059 km gefahren. Start und Ziel in der kleinen Ortschaft Balyshannon, zwölf Fahrzeuge wurden in Siebenminuten-Abstand (!) gestartet. Eine unübersehbare Zuschauermenge ließ sich das Spektakel nicht entgehen, unter ihnen als Gast des Earl of Dudley: Hubert von Herkomer.

Zum ersten Mal verwendete man für die Autos Nationalfarben, wie man sie noch vor kurzem kannte, ehe sie von der Werbung verdrängt wurden. Deutschland stellte zum ersten Mal ein Team mit drei Mercedes in strahlendem weiß (nicht silber, das ist eine andere Geschichte). Allerdings konnte Teamchef Emil Jellinek (dessen Tochter Mercedes die Namensgeberin der Daimler-Wagen war) seine vorgesehene Mannschaft mit den deutschen Fahrern Wilhelm Werner und Otto Hieronimus gegen den Willen des entsendenden deutschen Automobilclubs nicht durchsetzen, weil sie – „shocking“ – nur Angestellte beim Daimler waren. So starteten die Belgier Baron de Caters und Jenatzy, sowie der Amerikaner Foxhall-Keene für Deutschland. Die Engländer erschienen in grün, eine Verneigung vor den Behörden der grünen Insel, die das Rennen ermöglicht hatten. Das berühmte british racing-green ist also eigentlich das grün Irlands. Gewonnen hat Camille Jenatzy auf einem Vierzylinder 60 PS Mercedes.

In Herkomers Hirn muss es geklingelt haben. Da er ohnehin als Autonarr galt und sich mit einem Panhard & Levassor – später British Daimler –durch die Gegend bewegte, war er von dem Erlebten begeistert. Bedingt jedenfalls. Automobilsport ja, aber diese „röhrenden Ungeheuer“ (Zitat Herkomer) taugten seiner Meinung nicht recht zur Weiterentwicklung normaler automobiler Fortbewegungsmittel. Deshalb kam er auf die Idee, einen Wettbewerb mit absolut alltagstauglichen Fahrzeugen ins Leben zu rufen. Und wenn das wegen der Beschränkungen in England nicht funktionierte, dann eben in seiner eigentlichen Heimat, in Deutschland!

Es geht los!


Herkomer hatte seine bayerische Heimat nie vergessen, pendelte häufig zwischen Bushey, und Landsberg hin und her, hatte seinen Eltern ein neues Zuhause geschaffen und gleich daneben den Mutterturm errichten lassen. Er war bereits Mitglied des Bayerischen Automobilclubs (gegründet 1899) und mit seinem Präsidenten, dem Sprachforscher Professor Christof Ludwig Pöhlmann, befreundet.


Das wohlhabende Clubmitglied Herkomer bat den Präsidenten zu einer vertraulichen Besprechung in Landsbergs Mutterturm und eröffnete ihm seine Idee. Gleichzeitig versprach er, die Veranstaltung in Form einer enormen Trophäe und dem Portrait des jeweiligen Gewinners zu sponsern. Drei Mal sollte die Fahrt ausgerichtet werden, da aber durch den Sieg Jenatzys in Irland das Gordon Bennett-Rennen 1904 nach Deutschland kam, wartete man noch ein Jahr, was den Vorbereitungen sicher gut getan hat. Die internationale Sporthoheit hatte der DAC (Deutscher Automobil Club, am Weihnachtsabend 1905 umbenannt in KAC = Kaiserlicher Automobilclub, heute AvD) und der war mit der 5. Auflage im Taunus reichlich beschäftigt.

Herkomer und Pöhlmann, später Pöhlmanns Nachfolger Dr. Freiherr von Schrenck-Notzing, hatten also die Muße, ein sehr präzises Reglement auszuarbeiten. Es wurden nur viersitzige Tourenwagen mit Kotflügeln, Beleuchtung (mindestens drei, davon eine nach hinten), Regenschutz, Raum für Gepäck und Werkzeug und einer „Rückwärtsfahrt“ (= -gang) zugelassen, außerdem wurde jedem Wagen ein Kontrolleur beigegeben der peinlich genau jeden Verstoß (sogar Reifenwechsel ergaben Strafpunkte) notierte. Außerdem verfügte man offensichtlich über genügend Zeit, für die Konkurrenz Reklame zu machen. Man kann sie durchaus als erste Tourenwagen-Rallye der Welt bezeichnen und bereits anlässlich der ersten Auflage meldeten 105 Teilnehmer.

Die erste Herkomer-Konkurrenz fand vom 11. –bis 17. August 1905 statt, führte über 937,1 km von München über Augsburg – Tübingen – Baden Baden – Stuttgart – Nürnberg – Regensburg zurück nach München. Sieger: Edgar Ladenburg (München) vor Herman Weigand Düsseldorf und Willy Pöge, alle auf Mercedes.

Ein Jahr später führte die Strecke bereits über 1647 km von Frankfurt über München – Wien – Klagenfurt – Innsbruck zurück nach München. Diesmal gewann Dr. Rudolf Stöß auf 18/20 PS Horch vor Emil Neumaier, Benz und wieder Pöge auf Mercedes.

1907 schließlich über 1818,7 km von Dresden über Eisenach – Mannheim – Lindau – München – Augsburg (wobei Landsberg passiert wurde) nach Frankfurt. Hier holte sich Edgar Ladenburg die begehrte Trophäe für den Gesamtsieg der Trilogie, ließ seinen Benz allerdings von Fritz Erle chauffieren, er selbst wurde immerhin 15.

Das von Herkomer selbst entworfene „Silberne Staubwolkengebilde“, war für den Besitzer der siegreichen Fahrzeuge aller drei Veranstaltungen ausge-schrieben. HvH hatte ja versprochen, die jeweiligen Sieger zu portraitieren, die Gemälde von Ladenburg und Stöß hängen heute im Herkomer-Museum direkt neben dem Mutterturm in Landsberg.

 

Der nachgebildete Herkomerpreis wurde am 17.10.1986 von Herrn Dr. Borgmann auf der Kühlerhaube seines Horchs mit neun weiteren Autos des Süddeutschen Motorenwagenvereins durch die Stadt Landsberg zum Mutterturm gefahren. Dort wurde er dem damaligen Leiter des Musuems sowie dem stellvertretenden Bürgermeister der Stadt Landsberg am Lech als Dauerleihgabe überreicht. Etwa 200 Schaulustige verfolgten diesen festlichen Akt (Quelle: Walter Münster, FFB).

 

Die Herkomer-Konkurrenzen waren derart erfolgreich, dass Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder Kaiser Wilhelms II. und selbst Teilnehmer, sie reglementstechnisch praktisch unverändert übernahm und als „Prinz Heinrich Fahrt“ zwischen 1908 und 1910 durchführen ließ.

Wie zuvor schon erwähnt, bietet die Stadt auf Initiative der Herren Neunzert und von Malberg seit 1997 in der Regel alle zwei Jahre die etwas moderner gewordene "Herkomer-Rallye" an, wobei man sich bei dieser Veranstaltung kein Zeitfahren vorstellen darf. Eine Stoppuhr im Sinne eines reinen Zeitwettlaufs gibt es hier nicht: Gewinner des Wanderpokals ist, wessen "Schnauferl" das Ziel aus eigener Kraft erreicht hat und wer entsprechende Aufgaben vielleicht besser gelöst hat als ein anderer.

Herkomer's "Zukunft"

 

Zum Schluss noch eine Erklärung zu dem Bildnis, das Herkomer mit seiner Liebe und Begeisterung zum Automobil schuf und an dem man bei der Herkomer-Konkurrenz eigentlich nicht vorbei kommt:

 

"Die Zukunft"

 

Herkomer sah die Menschheit künftig abhängig vom motorisierten Fahrzeug.

 

So stellte er die Zukunft als weibliche Figur ans Automobil gefesselt dar, das eine Staubwolke aufwirbelt.

Da niemand tatsächlich in die Zukunft sehen kann, hat die weibliche Gestalt mit einem Tuch verbundene Augen.

 

 

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